Kein Ende der Repression gegen die KTS Freiburg
Communiqué vom 23.10.2018

Vierzehn Monate ist es nun her, dass das Bundesinnenministerium (BMI) das linksradikale Nachrichtenportal Indymedia linksunten verboten hat. Das BMI beauftragte das Regierungspräsidium Freiburg mit der Durchführung des Verbots, das wiederum das Landeskriminalamt Baden-Württemberg (LKA) um Amtshilfe bat. Am 25. August 2017 durchsuchte das LKA in Freiburg vier Wohnungen, zwei Fahrzeuge und das Autonome Zentrum KTS. Alle Speichermedien, Computer, Telefone, viele schriftliche Aufzeichnungen und Geldbestände, die sich im Haus befanden, wurden beschlagnahmt – alleine der Schaden in der KTS beläuft sich auf rund 40.000 Euro, insgesamt war er doppelt so hoch.

Von der Beschlagnahme betroffen sind verschiedene Theatergruppen, KünstlerInnen, Konzert-VeranstalterInnen, der Umsonst- und Infoladen sowie Werkstätten und Büros umweltpolitischer, antifaschistischer und libertärer Gruppen. Die KTS leidet bis heute nicht nur finanziell unter den Razzien und Beschlagnahmungen. Beispielsweise fehlen im offenen Internetcafé, das von vielen unterschiedlichen BesucherInnen genutzt wurde, bis heute sämtliche Computer.

In der Verbotsverfügung wurde die Verwendung des Logos und Namens der Internetseite unter Strafe gestellt, was bereits nach wenigen Monaten in Bayern zu einer Verurteilung in Höhe von 900€ wegen Verwendung der verbotenen Kennzeichen auf Facebook führte. Nach dem Verbot und den Razzien fanden im Oktober 2017 und während der anarchistischen Buchmesse im April 2018 Veranstaltungen zum Thema in der KTS statt.

Begründet wurde die Durchsuchung der KTS mit einem abenteuerlichen Konstrukt: Die unabhängige Medienplattform sei von einem Verein „linksunten.indymedia“ betrieben worden, der im Haus seinen „Vereinssitz“ gehabt habe. Dabei wurde ein vermeintliches Mitglied des konstruierten „linksunten-Vereins“ zum Vorstand der KTS deklariert, obwohl es reale Vorstände des KTS-Trägervereins gibt, die bis heute nicht von den Behörden informiert wurden. Begründet wurde die unterstellte „Vorstandstätigkeit“ mit Erkenntnissen des Landesamtes für Verfassungsschutz: Der Betroffene habe einen Router bei einem Telekommunikationsanbieter für die KTS bestellt und verfüge über einen Schlüssel für die Eingangstür. Diese absurde Begründung wurde erst kürzlich wieder bemüht, als das Regierungspräsidium Freiburg mitteilte, dass die beschlagnahmte Technik, sämtliche beschlagnahmten Gegenstände und Unterlagen und das Geld, das der KTS gestohlen wurde, weiterhin beschlagnahmt bleiben sollen: Alles sei „weiterhin als Vereinsvermögen von linksunten zu klassifizieren“.

Haarsträubend ist zudem der Umstand, das die beschlagnahmten Unterlagen vom LKA an das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) weitergereicht wurden und durch den Geheimdienst ausgewertet werden — eigentlich ein klarer Verstoß gegen das Trennungsgebot zwischen Polizei und Geheimdiensten.

Dem Verbot ging eine jahrelange verdeckte Repression gegen die KTS voraus. Laut Verfahrensakten hatte das BfV in den Jahren 2008 und 2013 den Spitzel Reinhold Kapteina in die KTS Freiburg und 2011 ins Epplehaus Tübingen geschickt, um angebliche öffentliche linksunten-Treffen zu beobachten. In einem der Spitzelberichte beschrieb Kapteina dem Verfassungschutz auch die KTS, in den Akten heißt es: „Der Veranstaltungsort wird als ein ehemaliges Bahnbetriebsgebäude beschrieben, welches in Klinkerbauweise erstellt ist und in dem unter anderem zwei Konzerträume, eine Küche, ein Schlafraum und ein Infoladen vorhanden sind.“ Reinhold Kapteina wohnt heute in der Kempener Straße 147 in Köln-Nippes.

Auch aktuell bemüht sich der Geheimdienst um Informationen. Erst im September 2018 versuchten die Schlapphüte, einen Freiburger Linken als Spitzel anzuwerben, was natürlich abgelehnt und veröffentlicht wurde. In den letzten Jahren waren wiederholt Anwerbeversuche des „Verfassungsschutzes“ im Umfeld der KTS bekannt und veröffentlicht worden: 2007 | 2008 | 2009 | 2011 | 2012

Auch Versuche, die KTS technisch zu überwachen, sind nicht neu: Bereits 2014 sollte der Eingang der KTS per Videokamera von einem Hochhaus aus observiert werden, weil dort angeblich ein Treffen von linksunten hätte stattfinden sollen. Durch wen diese Observation erfolgte und ob diese in Zusammenhang mit dem Verbot von Indymedia linksunten steht, ist bislang noch immer unklar. Darüber hinaus wurden Telefonate abgehört, SMS abgefangen, Post und Mails beschlagnahmt und Personen observiert.

Das Verbot der Internetplattform erfolgte kurz nach dem G20-Gipfel im Juli 2017 in Hamburg und kurz vor der Bundestagswahl im September 2017 und damit in einem Klima der Hetze nach dem Gipfel und der Profilierung der CDU vor den Wahlen. Durch das Verbot wurde das wichtigste deutschsprachige Medium der radikalen Linken zensiert.

Ungeachtet der öffentlichen Kritik von linksradikaler, journalistischer und zivilgesellschaftlicher Seite wird der autoritäre Verbotskurs weiterverfolgt. Neue Polizeigesetze in mehreren Bundesländern, Öffentlichkeitsfahndungen, zahlreiche Hausdurchsuchungen und Festnahmen und viele politische Prozesse der letzten Jahre zeugen von einer immer repressiveren Politik. Die regierenden Parteien wollen dem erstarkenden Faschismus auf der Straße und in den Parlamenten durch einen Rechtskurs das Wasser abgraben. Doch die Politik des demokratischen Autoritarismus verfängt weder bei Rechtsradikalen noch bei Liberalen. Die „Parteien der Mitte“ sind europaweit im Niedergang und stemmen sich mit Repression in ihren jeweiligen Staaten und auf Europaebene gegen ihren drohenden Bedeutungsverlust.

Die „freie Presse“ knickt in letzter Zeit immer häufiger ein, verrät ihre Quellen, kuscht vor der AfD und fürchtet selbst zum Ziel der Repression zu werden. In den Zeiten eines gesellschaftspolitischen Klimas, in dem gegen Flüchtlinge und Minderheiten gehetzt wird, braucht es Orte des Widerstands wie die KTS. Von hier erheben Linksradikale ihre Stimmen gegen Ungerechtigkeit und Unterdrückung, finden sich nicht ab mit der kapitalistischen Durchdringung des Alltags und wehren sich gegen den erstarkenden Faschismus.

Kein Tag ohne Autonomes Zentrum!

KTS Freiburg


Spitzel des Bundesamtes für Verfassungsschutz:
Reinhold Kapteina, Kempener Straße 147, Köln-Nippes

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