Vortrag, Diskussion und Konzert organisiert von La Banda Vaga
Donnerstag, 28.09.2006, 19:30

Einige italienische Intellektuelle, die inzwischen als "Operaisten" in die Theoriegeschichte eingegangen sind, schlugen sich seit den frühen 1960er Jahren mit der Frage herum, wie der Klassenkampf gegen die gezähmte Arbeiterbewegung neu entfacht werden könnte. Sie schlachteten ein paar heilige Kühe des überlieferten Marxismus - den Staatsfetisch, die Zusammenbruchstheorie und die Begeisterung für die bestehende Fabrik - und prägten neue Begriffe: Arbeiterautonomie und Klassenzusammensetzung.

Die operaistischen Gedanken drängten zur Wirklichkeit: Mit so genannten Arbeiteruntersuchungen in den Fabriken sollte nicht einfach die Zusammensetzung der Arbeiterklasse erforscht, sondern zugleich ihrer autonomen Organisierung auf die Sprünge geholfen werden. Praktischerweise drängte auch die Wirklichkeit zum Gedanken: Mit den wilden Streiks ab 1969 und der proletarischen Jugendrevolte um 1977 wurde die Emanzipation der Lohnabhängigen wieder greifbar.

Doch die Kämpfe scheiterten - und wurden von der Theorie überlebt. Was ist davon zu halten, wenn heute in der Tradition des Operaismus mal ein wilder Streik bei Opel, mal die Migration als Ausdruck proletarischer Autonomie gedeutet wird? Wo schlägt der Blick auf die Spuren, die der Klassenkampf in der gegenwärtigen Gesellschaft hinterlässt, in die triumphalistische Vorstellung um, "die Klasse" sei der verborgene Gott der Geschichte? Helfen die Theorie der Klassenzusammensetzung und die Praxis der Arbeiteruntersuchung, die Wirklichkeit zu begreifen und zu verändern? Oder enden sie zwangsläufig in soziologischer Faktenhuberei?

Ausgehend von Steve Wrights Theoriegeschichte Den Himmel stürmen (Berlin/Hamburg 2005) wird ein Genosse von den Berliner Freundinnen und Freunden der klassenlosen Gesellschaft die Entwicklung des Operaismus skizzieren und einige Thesen zu seinem heutigen Gebrauchswert zur Diskussion stellen. Anschließend spielt Genosse Geiger-Zähler aus Berlin ebenfalls im KTS-Café.

Pawol Geiger-Zähler, geboren 1978 in Bautzen/Budysin, lernte als Kind Geige, die er später in verschiedenen Punkbands zum Erzeugen von Pogoexzessen missbrauchte. Ende der 90er begann er Lieder von Erich Mühsam und Kurt Tucholsky zum Geigenspiel zu singen, schrieb bald darauf auch eigene Werke, die er seitdem auf unzähligen Konzerten im Dunstkreis (ex-)besetzter Häuser zu Gehör bringt. In Freiburg spielte er zuletzt umzingelt von der Polizei bei der Anarchist Convention.